Abschied von der Küchenpsychologie by Hans-Peter Nolting

Abschied von der Küchenpsychologie by Hans-Peter Nolting

Autor:Hans-Peter Nolting [Nolting, Hans-Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-644-46581-7
Herausgeber: Rowohlt Digitalbuch
veröffentlicht: 2012-05-08T16:00:00+00:00


Helfendes und aggressives Verhalten

Zwei weitere interessante Aspekte des interpersonalen Verhaltens sind Hilfeleistung und aggressives Verhalten. Da beiden Themen eigene Buchabschnitte gewidmet sind, soll an dieser Stelle nur der Geschlechteraspekt angesprochen werden.

Zunächst zur Hilfeleistung. Zu der Frage, ob sich die Geschlechter in diesem Punkt unterscheiden, gibt es zahlreiche Untersuchungen, und in der Quersumme aus verschiedenartigen Hilfeleistungen kommt man zu keinem Unterschied. Differenziert man hingegen nach Arten der Hilfeleistung, findet man in mancher Hinsicht durchaus Unterschiede. So leisten Frauen eher Hilfe fürsorglicher Art, z.B. indem sie Kranke pflegen, Kinder betreuen oder ein offenes Ohr für seelische Nöte haben. Anders ist es bei technischen Pannen oder bei der Hilfe in akuten Notsituationen. Männer retten eher Menschen aus einem brennenden Haus oder Ertrinkende aus einem Fluss, und sie greifen auch eher ein, um einen Menschen vor einem gewalttätigen Angriff zu schützen (wobei hier dienstliche Einsätze, z.B. der Feuerwehr oder Polizei, nicht mitgezählt sind). Erneut zeigt sich also, wie wichtig es ist, die Kontextfaktoren mit zu beachten.

Auch für aggressives Verhalten lassen sich nur mit einer differenzierten Betrachtung fundierte Aussagen machen. So ist es wichtig, zwischen aktiven und reaktiven Aggressionsvarianten zu unterscheiden. Eindeutig häufiger verüben nämlich männliche Personen nicht provozierte, aktiv initiierte Angriffe, sei es, um Macht auszuüben oder sich zu bereichern, sei es aus purer Lust am Kämpfen oder Drangsalieren. Keine nennenswerten Unterschiede gibt es hingegen bei provozierten, ärgerbedingten Reaktionen. Mit Ärger gehen Frauen nicht «netter» um als Männer, so die Ärgerexpertin Hannelore Weber.

Differenzieren muss man auch hinsichtlich der äußeren Verhaltensformen. Bei verbaler Aggression gibt es keinen bedeutsamen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Indirekte, versteckte Formen (jemanden ausschließen, heimlich verleumden, Beschimpfungen per Internet usw.) kommen bei Mädchen bzw. Frauen anscheinend etwas häufiger vor.

Körperliche Gewalt wird, aufs Ganze gesehen, tatsächlich überwiegend von männlichen Personen ausgeübt – aber das gilt nicht für jeden Kontext. Angriffe auf dem Schulhof, Gewaltkriminalität, Beteiligung an Krieg und Terrorismus – all dies ist größtenteils «Männersache». Im häuslichen Bereich hingegen ist der Unterschied gering, jedenfalls in westlichen Gesellschaften. Das betrifft nicht nur die Züchtigung und Misshandlung von Kindern. Auch Gewalt gegen den Partner verüben Frauen ebenso häufig wie Männer, wenn auch zum Teil in anderer Form (z.B. Werfen von Gegenständen) und mit geringeren Verletzungsfolgen. Zutage tritt dies allerdings nur in Studien zum sog. Dunkelfeld, die John Archer ausgewertet hat, und deren Befunde widersprechen nicht nur gängigen Vorstellungen, sondern auch der Polizeistatistik (sog. Hellfeld). Männer, die von Frauen misshandelt werden, schämen sich ihrer Schwäche, sie fürchten, dass man ihnen nicht glaubt, und sie verzichten daher gewöhnlich auf eine Anzeige.



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